Klimawandel: Lügen, Mythen, Missverständnisse
09.08.2021 Lesedauer: min Manuel Berkel
Rund um die Themen Klimaschutz und Klimawandel kursieren einige Falschaussagen und Mythen. Dazu gesellen sich jede Menge Missverständnisse und viele, viele Fragen. Wir haben die häufigsten gesammelt, liefern Fakten, Quellen und weiterführende Links.
Ob dreiste Lüge oder einfach nur ein Missverständnis: Geht es um den Klimawandel, seine Ursachen und Folgen, kochen die Emotionen schnell hoch. Auch von der „CO2-Lüge“ ist häufig die Rede. Dabei gibt es zahlreiche fundierte Studien – also viele Gelegenheiten, sich ganz sachlich in Details und Statistiken zu vertiefen. So lassen sich Missverständnisse schnell aufklären und Lügen zum Klimawandel leicht entlarven.
Die wichtigsten Fakten auf einen Blick:
- mittelalterliche Warmzeit: Temperatur im späten 20. Jahrhundert stärker erhöht
- Deutschland bereits stark von Klimawandel betroffen: bei Klima-Risiko-Index auf Platz 3
- Anteil einzelner Länder an Klimawandel vergleichsweise klein – entscheidend: Vergleich zur Bevölkerungszahl
Klimawandel-Lüge Nr. 1: Gab es Klimawandel nicht schon immer?
Das Klima war schon immer Schwankungen unterworfen. Im 20. Jahrhundert ist die globale Temperatur aber so stark gestiegen wie noch nie in den vergangenen 1.000 Jahren. Anschaulich macht das eine Grafik der US-Wetterbehörde NOAA. Widerlegen lässt sich damit auch das häufig von Klimaskeptikern gehörte Argument beziehungsweise die Lüge, es sei bereits im Mittelalter ähnlich warm gewesen wie heute. Wie anhand der Kurve zu erkennen ist, hat sich die Temperatur im späten 20. Jahrhundert stärker erhöht als in der mittelalterlichen Warmzeit.
Das auch „mittelalterliches Klimaoptimum“ genannte Phänomen führte tatsächlich zu ähnlichen Erwärmungen wie heute – allerdings nur in einzelnen Regionen! „Wahrscheinlich war etwa ein Drittel der Erde im Mittelalter wärmer als die entsprechenden Gebiete heute, während zwei Drittel kühler waren als im späten 20. Jahrhundert“, schreibt das Climate Service Center Germany (GERICS). Im Durchschnitt war das Hochmittelalter (1000-1300) dagegen, wie in der NOAA-Grafik zu erkennen, kühler als in den Jahrzehnten nach 1970. Die regionalen Abweichungen zeigt eine Grafik des Weltklimarats IPCC:
GERICS erklärt auch den Nachweis der anthropogenen – also menschengemachten – Klimaänderung. Durch die zeitliche und räumliche Verteilung der Erwärmung lässt sich die erhöhte CO2-Konzentration von natürlichen Ursachen wie der Sonneneinstrahlung und Vulkanausbrüchen abgrenzen.
Was ist die „CO2-Lüge“?
Als „CO2-Lüge“ wird der Zusammenhang zwischen dem Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und der weltweiten Erwärmung bezeichnet. Dem Weltklimarat IPCC wird vorgeworfen, nur mit Computermodellen und Berechnungen zu hantieren. Messungen würden dagegen zu anderen Ergebnissen kommen. Außer Hochrechnungen hätten die „CO2-Klimaerwärmer“ nichts Handfestes zu bieten. Dabei sind natürlich auch Messungen eine wichtige Grundlage für die IPCC-Berichte – und die Folgen des Klimawandels bereits sichtbar.
Wer sich im Detail für Klimaforschung interessiert, findet die ausführlichsten Informationen im englischsprachigen 6. Sachstandsbericht des IPCC. Der Teilbericht der Working Group I befasst sich mit den wissenschaftlichen Grundlagen der Klimaerwärmung. Die Hauptaussagen gibt es auch in deutscher Übersetzung. Zusätzliche Grafiken finden Sie auf dem Bildungsserver Klimawandel.
Klimawandel-Lüge Nr. 2: Sind die Folgen des Klimawandels wirklich so schlimm?
Einen umfassenden Überblick zu den Risiken für Deutschland bietet der Monitoringbericht der Bundesregierung zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Beobachtet werden dutzende Indikatoren für bereits eingetretene Folgen des Klimawandels, darunter
- Gesundheitsbelastung durch Hitze
- niedrige Grundwasserstände
- Ertragsausfälle in der Landwirtschaft
Voraussichtliche Änderungen in der Zukunft beschreibt das Buch Klimawandel in Deutschland, das vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht herausgegeben wurde und als Open-Access-Download verfügbar ist. Darin wird auch erklärt, wie Forscher die regionalen Folgen des Klimawandels modellieren. Die Wissenschaft hinter regionalen Klimamodellen beschreibt außerdem das Portal klimanavigator.eu. Dort gibt es auch eine Übersicht zu interaktiven Klimaatlanten, von der europäischen Ebene bis zu einzelnen Regionen in Deutschland. Die unterschiedlichen Klimafolgen für die Bundesländer beleuchtet zudem eine Themenseite des Umweltbundesamts.
Deutschland schon jetzt stark von Klimawandel betroffen
Wie der Klima-Risiko-Index zeigt, lag Deutschland im Jahr 2018 erstmals unter den drei am stärksten von Extremwetter bedrohten Staaten weltweit. Ärmere Staaten wird der Klimawandel in Zukunft allerdings noch weit stärker treffen als das wohlhabende Deutschland, das in gemäßigten Breiten liegt und leichter in Deiche und energieeffiziente Gebäude investieren kann.
Klima-Risiko-Index für das Jahr 2018
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Die weltweiten Auswirkungen des Klimawandels zeigen die jüngsten Berichte des Weltklimarats IPCC, etwa der Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel. Mit den Folgen für Mensch und Natur beschäftigt sich besonders Kapitel 3. Die Zusammenhänge zwischen der Bekämpfung von Armut und Klimawandel beleuchtet Kapitel 5. Von der Zusammenfassung gibt es auch eine deutsche Übersetzung. Eine gute Übersicht bietet außerdem ein Artikel von klimafakten.de, die bereits eine Vielzahl von Lügen/Behauptungen unter die Lupe genommen haben.
Lesenswert ist außerdem der 2019 erschienene IPCC-Sonderbericht zu Klimawandel und Land. Darin macht der Weltklimarat deutlich, dass der Klimawandel oft andere Eingriffe des Menschen in die Natur verstärkt – zum Beispiel einige Methoden der modernen Land- und Forstwirtschaft. So beeinträchtigt der Klimawandel zwar die Artenvielfalt. Das Insektensterben hat aber in erster Linie andere Gründe wie Monokulturen, Pestizide und Lichtverschmutzung.
Die größte Gefahr der globalen Erwärmung wird Kipppunkten im Klimasystem zugeschrieben. Ab einem gewissen Temperaturanstieg lassen sie sich nicht mehr aufhalten. Welche Kipppunkte es gibt, beschreiben diese Übersicht des Climate Service Centers Germany (GERICS) und dieser FOCUS-Artikel. Eine Karte zu Kippelementen bietet das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
Der IPCC unterteilt Kippelemente in regionale Kipppunkte wie das dauerhafte Abschmelzen des arktischen Eises im Sommer und „Large-scale singular events“ wie den Verlust des westantarktischen Eisschildes. „Large-scale singular events“ sind deshalb so katastrophal, weil sie das gesamte Klimasystem der Erde beeinträchtigen würden. Ab welchen Temperatursteigerungen welche Kipppunkte mit welcher Wahrscheinlichkeit eintreten, wird in den Abschnitten 3.5.2.5 und 3.5.5 von Kapitel 3 des IPCC-Sonderberichts zum 1,5-Grad-Ziel diskutiert.
Klimawandel-Lüge Nr. 3: Kann ein einzelnes Land überhaupt etwas ausrichten?
Es ist weniger eine Lüge als viel mehr einer der häufigsten Vorwände, um vermeintlich nichts für den Klimaschutz tun zu müssen: Deutschland verursache doch nur zwei Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen. Schon diese Zahl muss man in Relation setzen. Seit Beginn der Industrialisierung hat Deutschland schon fünf Prozent zur globalen Erwärmung beigetragen. Und im Vergleich zur Bevölkerungszahl beansprucht Deutschland auch mit den aktuell zwei Prozent noch ein unverhältnismäßig großes Stück vom verbleibenden CO2-Budget: Pro Kopf stoßen die Deutschen etwa 30 Mal so viele Klimagase aus wie Länder wie zum Beispiel Kenia und Nepal, wie klimafakten.de vorrechnet.
Gegen den Zwei-Prozent-Einwand sprechen noch andere Gründe: Verantwortung verschwindet nicht einfach, nur weil man sie in kleine Teile zerlegt – und im Pariser Abkommen hat Deutschland längst völkerrechtlich verbindlich strengen Klimaschutz zugesagt. Im jährlichen Klimaschutz-Index belegt Deutschland mit seinen Klimaschutz-Bemühungen bisher nur den 23. Platz und fällt damit in die Kategorie „mäßig “. Deutschland weiterhin als Klimaschutz-Vorreiter zu bezeichnen, könnte daher schon eher als Lüge durchgehen.
Viele Menschen empfinden ein Trittbrettfahrer-Verhalten beim Klimaschutz als ungerecht. Das Problem also, dass Klimaschutz allen zugutekommt, auch wenn sie selbst nichts dafür tun. Wirtschaftswissenschaftler beschäftigen sich deshalb schon lange damit, wie sich das sogenannte Free-Rider-Problem beheben lässt. Eine mögliche Lösung des Nobelpreisträgers William Nordhaus: Vorreiter im Klimaschutz könnten Zölle auf Produkte aus Ländern erheben, in denen weniger strenge CO2-Standards gelten. Genau solch eine „carbon border tax“ hat die EU-Kommission unter ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen 2019 vorgeschlagen.