Praxistest: Jochen Kreher hat fast alle überzeugt – der Hausverwaltung sei Dank

12.06.2023 Lesedauer: min Christine Persitzky

Jochen Kreher im Bild

Jochen Kreher ist Mitglied einer kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) in Heuweiler bei Freiburg/Breisgau, die seit 2021 ihren eigenen Solarstrom produziert. Der Erfahrungsbericht seiner WEG zeigt: Photovoltaik auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses lässt sich gut realisieren und lohnt sich. 

Die wichtigsten Eckdaten

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Die WEG
• 2 baugleiche Häuser mit je 4 Wohneinheiten (WE)
• Baujahr: 2006/2007
7 der insgesamt 8 WE in Eigennutzung, 1 vermietet
• Beheizte Wohnfläche: 506,44 m² pro Haus
• Verwaltungsbeirat: 4 Mitglieder (2 je Haus)
• Stromverbrauch in den WE: 1.500-2.500 kWh/a
Maßnahme
• Installation von PV-Anlagen auf den Dächern Zeitraum 2020 - 2021
• Installation von 5 Einzel-PV-Anlagen mit je 9,9 kWp bzw. 9,57 kWp-Leistung, insgesamt rund 235 m², 147 Module, 5 Wechselrichter
• Dachflächen: gut geeignet, da  nicht verschattet, Süd-/Ost- bzw. Nord-/West-Ausrichtung, nur wenige Dachfenster/Gauben
Kosten:
• Insgesamt rund 80.000 Euro,
• je Eigentümer*in rund 16.000 Euro
Förderung:
• Keine direkte finanzielle Förderung
• Begleitung/Beratung durch Energieagentur Regio Freiburg (EARF) (für die WEG kostenfrei)
Ertrag (Beispielwohnung, 2022)
• Stromproduktion 8.310 kWh
• Stromrechnung Versorger 1.173 kWh – 334 EUR
• Einspeisung/Vergütung 7.610 kWh – 668 EUR
• Eigenverbrauch/Kosteneinsparung 700 kWh – 200 EUR
Stand:
August 2023
Auflistung der wichtigsten Eckdaten

Die wichtigsten Erkenntnisse auf einen Blick:

  • Alle Beteiligten/Betroffenen (Miteigentümer*innen, Hausverwaltung, Mieter*innen) sollten von Anfang an einbezogen werden.
  • Es sollte eine feste Ansprechperson aus der WEG geben.
  • Eine externe Beratung dazuzuholen ist hilfreich.
  • Auch die Hausverwaltung muss mitziehen.
  • Einstimmigkeit im WEG-Beschluss ist nicht erforderlich, aber sehr empfehlenswert.

Heuweiler im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Noch immer findet Jochen Kreher die Idee faszinierend: Die kostenlose Energie der Sonne einfangen, eigenen Strom klimafreundlich produzieren, CO2-Emissionen einsparen und nachhaltiger leben – und das alles, ohne auf irgendetwas verzichten zu müssen. Dass aus der Idee inzwischen Realität geworden ist, ist nicht nur seinem Engagement zu verdanken, sondern auch dem Interesse der Miteigentümer*innen, der Aufgeschlossenheit der Hausverwaltung und dem Beratungsangebot der Energieagentur Regio Freiburg. Doch zurück zum Jahr 2020, als alles begann …

Jede Menge Sonne kostenlos

Es ist Sommer, als Jochen Kreher, Beiratsmitglied seiner kleinen Wohnungseigen­tümergemeinschaft im Ort Heuweiler, die ersten konkreten Schritte in Richtung Photovoltaik-Anlage unternimmt: Er beginnt damit, alle Miteigentümer*innen der WEG einzeln anzusprechen, und zwar ganz neutral, wie er erzählt: „Ich wollte einfach erstmal die Idee schildern und fragen, ob sie sich das vorstellen könnten.“ Das Interesse ist von Anfang an groß, die Resonanz fast durchweg positiv: „Viele haben mir rückgemeldet, dass sie das für eine super Idee halten.“ Also fragt Kreher als nächstes bei der Hausverwaltung an, wie so ein Projekt gehandhabt werden könnte.

Auch die Hausverwaltung zieht mit

Zwei große Glücksfälle habe es in diesem Projekt gegeben, berichtet Jochen Kreher. Zum einen: Als er bei der Hausverwaltung anruft, hat just eine Woche vorher auch die Energieagentur Regio Freiburg (EARF) dort angeklopft – und ein großartiges Angebot gemacht: die unentgeltliche Beratung und Begleitung von interessierten Wohnungs­eigentümergemeinschaften auf ihrem Weg zur eigenen PV-Anlage. Der zweite Glücksfall: Auch die Hausverwaltung selbst ist an der Sache interessiert. Sie sieht in der WEG Heuweiler die Chance, ein Pilot-Projekt für andere von ihr verwaltete Objekte durchführen zu können und signalisiert ihre Unterstützung.

Dann findet ein erster Termin vor Ort statt, mit allen Beteiligten – Eigentümer*innen, Hausverwaltung, Energieagentur. Dabei wird klar: Neben der breiten Zustimmung gibt es eben doch auch Vorbehalte und Ängste. „In diesem Moment war die Unterstützung durch die externen Berater extrem hilfreich“, berichtet Jochen Kreher. „Denn die haben erstmal alle Stimmungsbilder eingefangen und konnten darauf ohne Bewertung reagieren. Und die Miteigentümer*innen ihrerseits konnten ihre Bedenken und Befürchtungen frei äußern und ihre Fragen stellen.“ Viele Unsicherheiten werden so geklärt, der Weg zu einem ersten WEG-Beschluss wird frei.

Entscheidung in der WEG-Versammlung

Die außerordentliche WEG-Versammlung zum Thema Photovoltaik findet im Oktober 2020 statt. Das Ergebnis: Eine einstimmige Entscheidung für das Projekt, obwohl letztendlich nur fünf der acht Miteigentümer*innen nun wirklich mitmachen wollen beim eigenen Solarstrom. „Auch die Miteigentümer, die sich selbst nicht beteiligen wollten – aus welchen Gründen auch immer – haben dem Projekt an sich zugestimmt. Das war richtig gut“, erinnert sich Kreher. Denn damals wäre die Umsetzung ohne einen einstimmigen Beschluss gar nicht möglich gewesen.

Inzwischen hat die Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes den Abstimmungsprozess erleichtert. Nun genügt eine einfache Mehrheit. Trotzdem empfiehlt Jochen Kreher, sich nach Möglichkeit auf einen einstimmigen Beschluss zu einigen. „Auch die, die nicht aktiv mitmachen wollen, müssen ja den Aufwand und auch manche Kosten mittragen, zum Beispiel für eine außerordentliche WEG-Versammlung, für die Nutzung von Gemeinschaftsflächen im Gebäude für Stromzähler und Wechselrichter, oder auch die vorrübergehenden Beeinträchtigungen durch die Baumaßnahme selbst.“

Umsetzung in wenigen Wochen

Nach dem WEG-Beschluss für die PV-Anlage im Herbst 2020 geht alles ganz schnell: Die Energieagentur hilft dabei, Angebote einzuholen und ein geeignetes Betriebs­konzept für die PV-Anlage auszuwählen. Ein entsprechender Ausführungsbeschluss der WEG folgt im Januar. Danach dauert es nur noch wenige Wochen bis zur fertigen Installation der Photovoltaik-Anlagen auf den beiden Hausdächern der WEG im Februar 2021.

Ganz glatt läuft es trotzdem nicht. Weil sich eine Partei von den Solarzellen geblendet fühlt, einigt man sich nach kurzer Auseinandersetzung auf einen Rückbau von drei bereits installierten Modulen. Die Minderung der Leistung verteilen die Eigentümer*innen gerecht auf alle Solarstrom-Erzeuger in diesem Gebäude und minimieren so den Verlust für die einzelnen Parteien auf ein kaum spürbares Maß.

Als Betriebsmodell hatte die WEG die Aufteilung auf mehrere Einzelanlagen gewählt: Die Dachfläche ist in Parzellen unterteilt, jede*r an der Solarstromproduktion beteiligte Miteigentümer*in pachtet – kostenfrei – ein solches Dachstück und betreibt darauf seine/ihre eigene PV-Anlage, mit eigenen Modulen und weiteren technischen Einrichtungen wie Wechselrichter und Stromzähler. Die noch nicht beteiligten Miteigentümer*innen können sich noch immer umentscheiden und nachziehen – ihre „Dachparzellen“ stehen bereit.

Eine Photovoltaikanlage auf einem Mehrfamilienhaus

PV-Betriebskonzepte für WEGs

Für die Nutzung von Solarstrom in Mehrfamilienhäusern gibt es verschiedene Betreibermodelle. Die Energieagentur Regio Freiburg hat dazu einen umfassenden Leitfaden erstellt.

Zum Leitfaden

Die Entscheidung für mehrere Einzelanlagen hat sich als sinnvoll erwiesen. So trägt jede/r Miteigentümer*in selbst die Verantwortung für die eigene Anlage und die finanziellen Aspekte im Zusammenhang mit dem produzierten Strom. Trotzdem ist der Austausch von Erfahrungen und Informationen innerhalb der WEG möglich und wertvoll.

Was viel zur positiven Entwicklung des Projektes für die WEG beigetragen hat: Mit Jochen Kreher stand allen Beteiligten ein engagierter interner Ansprechpartner zur Verfügung, an den man sich vertrauensvoll wenden konnte. Und: „Die neutrale Begleitung durch die Energieagentur war Gold wert, ebenso dass die Hausverwaltung sofort mitgezogen hat“, betont Kreher.

Die Rechnung mit der Sonne geht auf

Auch finanziell steht das Projekt gut da. Jochen Kreher hat den Ertrag im Jahr 2022 beispielhaft durchgerechnet für eine Wohneinheit mit einem Stromverbrauch (vom Stromversorger) von 1.173 kWh und einer Jahresproduktion an eigenem Solarstrom von 8.310 kWh – davon wurden 700 kWh selbst verbraucht und der Rest (7.610 kWh) eingespeist: Einer Stromrechnung vom Versorger über 334 Euro auf der einen Seite stehen Kosteneinsparungen von 200 Euro durch den Eigenverbrauch und eine Einspeisevergütung in Höhe von 668 Euro auf der anderen Seite gegenüber.

Neben der Stromrechnung ist es auch der für das Gebäude dazugewonnene Mehrwert, der positiv zu Buche schlägt: Sollte mittelfristig eine neue, klimafreundlichere Heizungsanlage fällig sein, ist man mit der PV-Anlage gut aufgestellt für den Wechsel zu einer Wärmepumpenlösung.

Zwei Mehrfamilienhäuser, jede Menge Sonne, aufgeschlossene Beteiligte und neutrale externe Beratung – mit diesen Zutaten ist die Rechnung für die WEG Heuweiler aufgegangen. Nach den ersten Jahren Betriebszeit zieht Jochen Kreher eine durchweg positive Bilanz: „Es läuft alles und es hat alles gut geklappt. Wir als Eigentümer haben uns durch dieses Projekt neu und intensiv kennengelernt und haben sehr viel dazu gelernt, und es ist ein tolles Gefühl, mit den zwei Dachflächen unterhalb der Kirche im Ort mehr Strom zu erzeugen, als wir je verbrauchen können.“

Christine Persitzky

Über die Autorin

Christine Persitzky

Christine Persitzky verstärkt die co2online-Redaktion seit Juni 2023 und arbeitet vor allem zu den Themen Photovoltaik, Energiesparen und Nachhaltigkeit. Außerdem beschäftigt sie sich damit, was Wohnungseigentümergemeinschaften in Sachen energetischer Sanierung und Klimaschutz tun können.

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